Vortragsreihe Umwelt(Un)Recht – Bericht

Vom 12. November bis zum 17. Dezember 2020 organisierte das Netzwerk Rechtskritik in Zusammenarbeit mit dem AK Zu Recht Münster und dem AKJ Bonn eine vierteilige digitale Veranstaltungsreihe in vier Städten NRWs zum Thema „Umwelt(Un)Recht“.

Ziel der Reihe war es, Möglichkeiten für einen emanzipatorischen Umgang mit dem Recht als Werkzeug gegen die Klimakrise aufzuzeigen. Außerdem sind wir mit dieser Veranstaltungsreihe als Netzwerk kritischer Jurist*innen in NRW erstmals öffentlich aufgetreten und konnten so neue Kontakte mit anderen Interessierten knüpfen.

Im Folgenden möchten wir kurz die Veranstaltungen dokumentieren und zusammenfassen, um die Inhalte auch Interessierten zugänglich zu machen, die an den Terminen nicht teilnehmen konnten.

Wir möchten uns in diesem Zusammenhang auch bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW und dem AStA der Universität Münster für die finanzielle Unterstützung und die gute Zusammenarbeit bedanken.

Bochum

Das Thema der Veranstaltung war höchst aktuell und politisch brisant: Wilhelm Frank berichtete über die Klage des Peruaners Saul Luciano Lluiya gegen den Großkonzern RWE. Insbesondere erklärte er ausführlich den Stand des bisherigen Verfahrens und erläuterte die Rechtsfragen, die die Klage aufwirft. Es ist das bisher einzige Verfahren eines Privatklägers gegen ein Privatunternehmen auf Beteiligung an Schäden, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden.

Die Fragen aus dem Publikum betrafen insbesondere die Rolle des peruanischen Staats in dem vorgenannten Verfahren, ebenso wie die Frage, ob außer RWE noch andere Großemittenten in die Haftung genommen werden könnten. Eine Folgeveranstaltung böte sich insbesondere zu den völkerrechtlichen Aspekten des Klimarechts an, die in dieser Veranstaltung nicht thematisiert werden konnten.

Bonn

Die Veranstaltung in Bonn war als digitale Podiumsdiskussion konzipiert. Auf dem Panel saßen Laura Schimmöller, Johann Voß und Hermann E. Ott.
Zunächst wurde thematisch ins Thema eingeführt. Dabei ging es um das noch herrschende anthropozentrische Paradigma von der Superiorität und Andersartigkeit des Menschen gegenüber der Natur/Tieren und das Recht als Anwendungsbeispiel dieses Paradigmas. Die Darstellung der rechtlichen Parameter erfolgte anhand eines einfachen Fallbeispiels (Mensch kippt Salzsäure in einen Fluss, Handlung strafbar und Mensch muss Schäden beseitigen, Natur stehen diesbezüglich keine Rechte zu, diese ist bloßes Objekt, nicht Subjekt im Recht).

In der anschließenden Diskussion ging es vor allem um folgende Themen:

1. Eigenrechte der Natur? Ausgangslage in Deutschland / Europa und praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Eigenrechts-Konzepts. Diskutiert wurden Modelle anderer Staaten (Neuseeland und Ecuador) und deren Umsetzbarkeit in Deutschland. Dabei wurde insbesondere auf die Grundannahmen und Ziele dieser Modelle eingegangen und auf die spezifische Ausgangslage in Zentraleuropa.

2. Status quo in Deutschland? Zwischen den Panelist*innen wurden bereits existente Modelle diskutiert, die der effektiven Durchsetzung von (objektivem) Naturschutzrecht dienen. Es wurde festgestellt, dass bereits vermittelnde Ansätze existieren (etwa Verbandsklage), die in der Vergangenheit auch erfolgreich genutzt werden konnten, aber hohe Hürden aufweisen und daher eventuell durch andere Instrumente ergänzt werden müssten.

3. Position der Praxis / NGOs / Politik zu Eigenrechten der Natur? Die Panelist*innen konstatierten, dass die Frage selbst in Umwelt-NGOs (wie Client Earth) neu sei und hier der Reflexionsprozess noch am Anfang stünde, wozu die Veranstaltung einen erheblichen Beitrag leiste.

4. Tierrechte statt Tierschutz? Diskutiert wurden die Implikation der Einführung von Tierrechten für unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem. Es wurde namentlich der Ansatz diskutiert, Rechte nur gegenüber bestimmten Tierarten einzuräumen (Nutztiere vs. freilebende Tierarten? Primitive vs. intelligente Lebewesen?).

Viele der diskutierten Fragen sind gänzlich neu und bedürfen weitergehender Diskussion in anderen Foren. Die Frage ist für die meisten Disziplinen zwar nicht neu, der politische Verhandlungsprozess steht noch aber noch aus.

Das Panel bestand mehrheitlich (2/3) aus Personen mit juristischem Hintergrund. Für eine Folgeveranstaltung wäre es sicherlich interessant, noch weitere Disziplinen mit ab Board zu nehmen.

Münster

Die Veranstaltung mit Phillip Hofmann von „Frag den Staat“ und Lisa Hahn war in drei Teile aufgeteilt: Zunächst stellte Philipp die Organisation Frag Den Staat vor, erzählte vom Selbstverständnis, der juristischen Grundlage ihrer Arbeit (insb. IFG) und der Arbeit im Bereich Klima- und Umweltschutz.

Anschließend berichtete Lisa Hahn über Möglichkeiten im Bereich der kollektiven Klageerhebung und ihrer Wirksamkeit. Anschließend gab es eine von den Moderatorinnen geleitete Diskussion zur Normalisierung von Rechtsverstößen, Begleitung von Prozessen sowie der Systemimmanenz von strategischen Klagen. Abschließend konnten Fragen aus dem Publikum gestellt werden.

Köln

Die Veranstaltung in Köln drehte sich im Kern um die Blockade des Weisweiler Kraftwerks und ihre juristische Verteidigung. Dazu luden wir mit Toni und Mo zwei der Aktivist*innen, die die Blockade durchgeführt haben sowie Christian Mertens als einen der Verteidiger im nachfolgenden strafrechtlichen Verfahren ein.

Im November 2017 waren parallel zu den Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen 13 Aktivist*innen und ein Journalist auf das Gelände des Weisweiler Kraftwerks gelangt. Sie sorgten durch eine Blockade der Förderbänder mit technischen Hilfsmitteln dafür, dass das Kraftwerk fast vollständig heruntergefahren werden musste. Dadurch wurden rund 26.000 Tonnen CO2 eingespart. Im Nachgang wurden fünf der Aktivist*innen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Hausfriedensbruch und Störung öffentlicher Anlagen angeklagt. Die Aktivist*innen und ihre Verteidiger*innen argumentierten im Kern damit, dass ihr Handeln durch den drohenden Klimanotstand gerechtfertigt sei. Dem folgte das Gericht zwar nicht, jedoch verurteilte es tatbestandlich nur wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte.

In den anderthalb Stunden der Veranstaltung konnten wir zu Beginn ein Video der Aktion zeigen und sodann intensiv mit den Gästen darüber diskutieren, was die Aktivist*innen zu ihrem Handeln bewogen hat, wie sie vorgegangen sind, ob sie ihre Aktion und den Ausgang des Verfahrens dennoch als erfolgreich erachten und vor allem, ob sie die Argumentation des Gerichts überhaupt überzeugend finden. Christian Mertens konnte uns dabei immer wieder eine juristische Einordnung geben. Im letzten Teil der Veranstaltung konnten zahlreiche Fragen durch das Publikum gestellt werden. Als Ausblick zum Schluss schnitten wir noch das bevorstehende Berufungsverfahren sowie die Schadensersatzklage in Höhe von 2 Millionen Euro an, denen sich die Aktivist*innen gegenüberstehen sehen. Wir möchten beide Verfahren weiterverfolgen und gegebenenfalls durch weitere Veranstaltungen unterstützen.