Vortragsreihe Umwelt(un)recht (online)

Die Population der Kormorane auf den Galapagosinseln ist so hoch wie noch nie, die Feinstaubbelastung in Großstädten ist auf ihrem niedrigsten Stand seit Jahren und durch den Shutdown erreicht Deutschland 2020 erstmals sein Klimaziel. Die Auswirkungen des Corona-Stillstands mögen uns glauben lassen, dass die Forderungen der Klimagerechtigkeitsbewegung hinfällig geworden sind. Wie jedoch die staatlichen Rettungen von Lufthansa und der Automobilindustrie zeigen, wird die entstandene Verbesserung der Klima- und Umweltsituation wohl schon bald wieder kapitalistischen Wachstumslogiken zum Opfer fallen.
Wo stehen wir also umwelt- und klimapolitisch tatsächlich? Welche Rechte haben eigentlich Tiere und Ökosysteme und (wie) können diese effektiv durchgesetzt werden? Welche Veränderungen braucht der rechtliche Status Quo? Können umweltrechtliche Klagen strategisch für einen sozialen und ökologischen Wandel genutzt werden und welche Möglichkeiten bietet das Informationsfreiheitsgesetz? Wie können Konzerne, die für einen Großteil des CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden? Und welche Rolle spielt bei dem Ringen um mehr Aufmerksamkeit für Klimaschutz ziviler Ungehorsam? Rechtfertigt der Klimanotstand zivil- oder strafrechtlich relevantes Handeln? Und was können wir aus den Kämpfen (vor allem) im Globalen Süden lernen?
Diese und weitere spannende Fragen zum Thema Umwelt(un)recht wollen wir in vier  Veranstaltungen in vier verschiedenen Städten in NRW erörtern. Alle Vorträge finden online statt. Mehr Infos zu den einzelnen Veranstaltungen findet ihr hier.


Münster: „FragDenStaat“ zum Thema Umwelt(un)recht – Wie kann Recht zum ökologischen Wandel beitragen?
12.11.2020, 19 Uhr auf dem YouTube-Kanal Digital Radikal Münster
Was steht in dem Glyphosat-Gutachten des Bundesamtes für Risikobewertung? Welche Daten hat die Polizei an RWE zur Räumung des Hambacher Forstes weitergegeben? Was wurde in Treffen zwischen der NRW-Landesregierung und Uniper, der Betreiberin von dem Kohlekraftwerk Datteln 4, besprochen? 
Über die Internetplattform „FragDenStaat“ wurden diese und andere amtliche Informationen zum Umgang mit Umweltprotesten, sowie zur Klima- und Umweltpolitik angefragt. „FragDenStaat“ ist eine Online-Plattform, über die jede Person amtliche Informationen bei deutschen und europäischen Behörden anfragen kann. Sie unterstützt die Anfragenden bei Klagen auf Herausgabe der angefragten Informationen, wenn die Behörde diese zunächst nicht herausgeben möchte. 
Neben der Auseinandersetzung mit konkreten Erfolgen bei Anfragen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes, wollen wir uns näher mit dem Recht als Instrument beschäftigen. Wie können Individualrechte und damit verbundene Klagen strategisch genutzt werden? Welche Funktion nimmt dabei das Informationsfreiheitsgesetz und der daraus resultierende Auskunftsanspruch in einer modernen Demokratie ein?  Können das Informationsfreiheitsrecht und damit verbundene Transparenzklagen strategisch für einen sozialen und ökologischen Wandel genutzt werden auch im Hinblick auf Zugang zu Recht? 
Wir werden gemeinsam mit Phillip Hofmann, Syndikusanwalt bei FragDenStaat, und der Doktorandin Lisa Hahn, die sich mit strategischer Prozessführung beschäftigt, nach einem kurzen Input diskutieren. Über ein PAD gibt es die Möglichkeit, Fragen zu stellen.

Köln: Rechtfertigungsgrund Klimanotstand? – Die Blockade des Kraftwerks Weisweiler und ihre juristische Verteidigung
25.11.2020, 18:30 Uhr

 

2017 blockierten Aktivist*innen das Braunkohlekraftwerk Weisweiler, was dazu führte, dass das Kraftwerk für mehrere Stunden fast vollständig heruntergefahren werden musste. Durch die Aktion wurden circa 26.000 Tonnen CO2 nicht ausgestoßen. Im Nachgang kam es zu einem Strafprozess vor dem Amtsgericht Eschweiler gegen einige der Aktivist*innen. Dabei wurde erstmalig in einem deutschen Prozess versucht mit dem Rechtfertigungsgrund Klimanotstand zu argumentieren. Das Gericht folgte dem nicht und verurteilte die Aktivist*innen in der ersten Instanz, wenn auch nicht hinsichtlich aller angeklagter Delikte. Die Aktivist*innen haben dagegen Berufung eingelegt. In der Diskussionsveranstaltung soll es um die Frage nach Klimanotstand als Rechtfertigungsgrund für zivilen Ungehorsam im Klima-Aktivismus gehen und darum, ob der Prozess dennoch erfolgreich war. Bisher ist der Klimanotstand als Rechtfertigungsgrund in Deutschland nicht als solcher anerkannt, in der Schweiz hingegen wurde er zuletzt erstmalig von einem Gericht akzeptiert. Auch jenseits davon nehmen Gerichtsprozesse im Zusammenhang mit mangelnden staatlichen Bemühungen um Klimaschutz zu.
Diese und weitere spannende Aspekte wollen wir gemeinsam mit unseren Referent*innen, zwei Aktivist*innen und einem sie verteidigenden Rechtsanwalt, diskutieren.

Bochum: Lliuya vs. RWE – Der privatrechtliche Kampf für mehr Klimagerechtigkeit
08.12.2020, 19 Uhr
Der Energiekonzern RWE als der größte CO2-Emittent Europas ist für 0,47 % der seit der Industrialisierung freigesetzten, globalen Emissionen verantwortlich und trägt somit einen erheblichen Anteil am Klimawandel. Die verheerenden Folgen des Klimawandels sind global jedoch nicht gleich verteilt, insbesondere betroffen ist der „globale Süden“. So auch die am Fuße des Palcachoa Gletschersees gelegene Stadt Huaraz in Peru. Auf Grund der durch den Klimawandel bedingten Erderwärmung droht eine Gletscherschmelze, die zur Überflutung der Stadt führt. Der peruanische Bauer und Bergführer Saúl Luciano Lliuya fordert von dem Großkonzern als Mitverursacher anteilig die Kosten für die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Flutkatastrophe zu übernehmen. Nachdem der Fall 2016 vor dem Landgericht Essen scheiterte, ließ das OLG Hamm eine Beweisaufnahme in der Sache zu und stimmte der Argumentation Lliuyas zu. Der Fall Lliuya gegen RWE ist in Deutschland zwar der prominenteste Fall, aber bei Weitem nicht der einzige. Inwiefern Zivilgerichte in den Kampf für mehr Klimagerechtigkeit und bei der Umsetzung klimapolitischer Ziele eine Rolle spielen können, wird Rechtsanwalt Will Frank beantworten, der den Fall Lliuya vs. RWE juristisch mitbetreut hat und bei germanwatch aktiv ist. 

 

Die Veranstaltung wird über Zoom gestreamt:

https://ruhr-uni-bochum.zoom.us/j/92749267616?pwd=RC9KYWltUUFNbHFROE5VYU5FMjhlQT09

Meeting-ID: 927 4926 7616
Passwort: 179036
Schnelleinwahl mobil
+493056795800,,92749267616#,,#,179036# Deutschland
+496938079883,,92749267616#,,#,179036# Deutschland

Einwahl nach aktuellem Standort:
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+49 69 3807 9883 Deutschland
+49 695 050 2596 Deutschland
+49 69 7104 9922 Deutschland
Meeting-ID: 927 4926 7616
Passwort: 179036
Ortseinwahl suchen: https://ruhr-uni-bochum.zoom.us/u/adp4ZNJKAV


Bonn: Die Natur als Subjekt im Recht – Zur Frage, ob die Natur und nichtmenschliche Lebewesen klagbare Rechte haben können 
17.12.2020 18 UhrZoom-Link und Einwahldaten s.u.!
Ende der 1980er erregte die “Robbenkklage” – eine Klage deutscher Umweltverbände gegen den deutschen Staat – großes Aufsehen. Sie bildete den Ausgangspunkt einer gesellschaftlichen Debatte, sowohl um eine effektive Verankerung des Naturschutzes im deutschen Rechtssystem, als auch um das grundsätzliche (ethische) Verhältnis zwischen Mensch und Natur.
Auch 30 Jahre später sind diese Themen, angesichts der fortschreitenden Zerstörung menschlicher und tiereischer Lebensräume und Ökosysteme, noch von großer Relevanz. Die aktuelle Situation wirft die Frage auf, ob unser Rechtssystem in seiner aktuellen Verfassung überhaupt in der Lage ist, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Als ein Lösungs- oder Reformansatz wird nunmehr die (nicht gänzlich neue) Frage diskutiert,ob nicht Tieren und Naturräumenn selbst eigene, gerichtlich durchsetzbare Rechte eingeräumt werden sollten. Viele Staaten, vor allem außerhalb Europas im globalen Süden, haben entsprechende Regelungsmodelle entwickelt, die auch in Deutschland und Europa immer stärkeren Widerhall finden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wo die Rechtsentwicklung in Deutschland im Jahre 2020 steht (oder stehen geblieben ist).
 
Folgende Fragen wollen wir im Rahmen einer Online-Podiumsdiskussion mit den Teilnehmenden diskutieren:  
  • Wie stellt sich der „status quo“ im deutschen Recht dar? Welche Rahmenbedingungen, vorherrschenden philosophischen, rechtsethischen und dogmatischen Anschauungen finden wir im nationalen Recht Deutschlands vor und was bedeuten diese überhaupt (Anthropozentrismus, Schutznormtheorie, Begriff der Rechtsfähigkeit, vereinzelte Zulassung von Verbandsklagen)?
  • Welche Entwicklungen lassen sich in ausländischen Rechtsordnungen (namentlich Ecuador, Bolivien, Neuseeland, USA, etc.) beobachten? In welchem politischen und sozialen Kontext sind diese Entwicklungen zu sehen und was sind ihre Grenzen (etwa Schutz ethnischer Minderheiten und deren spezifischer Lebensgrundlagen)?
  • Ist Deutschland im Verhältnis zur internationalen Entwicklung in das „Hintertreffen“ geraten? Auf welchem Stand ist hier der politische Diskurs der letzten Jahre? 
  • Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bereits im deutschen Rechtssystem? Stellt etwa die Verbandsklage nach dem UmwRG/BNatSchG noch ein zeitgemäßes Instrument dar? 
  • Kann an diese Instrumente möglicherweise angeknüpft werden? 
Über diese und weitere Fragestellungen wollen wir diskutieren mit Laura Schimmöller (KU Leuven, Belgien), Johann Voß (Hertie School, Berlin) und Prof. Dr. Hermann Ott (Geschäftsführer Client Earth Deutschland).

 

Die Veranstaltung wird über Zoom gestreamt: